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An einen verantwortungsvollen Umgang miteinander mahnend, improvisieren der Pianist Patrick Bebelaar und der Saxofonist Christoph Beck an verschiedenen Orten. Nur „am Rande“ wird erkennbar, welch bedeutungsvolle Geschichten diese erzählen. Dies ist Teil der Idee -  Ermahnungen an verantwortliches Handeln zeigen ihre Wirkung am wenigsten mit erhobenem Zeigefinger, am ehesten aber mit dem Herzen und Empathie.



Die Monate der Pandemie legen in aussergewöhnlicher Weise dar, wie fragil unsere Gesellschaft in vielerlei Hinsicht ist. Es betrifft nicht nur die „großen Fragen“ der Demokratie und Freiheit - auch im Kleinen, im Lebenskonzept des Einzelnen, werden durch die unterschiedlichen Einschränkungen „Bruchstellen“ sichtbar, die zuvor scheinbar noch kompensierbar waren. 
Da jedoch die Zeit der Einschränkungen noch lange nicht vorüber ist und der Klimawandel und die dadurch entstehenden Kosten und Eingriffe in unser Leben weitere Einschränkungen unumgänglich machen, die stetig zunehmende Zahl an Kriegen und Konflikten und den damit verbundenen Fluchtbewegungen weiterhin Europa nicht verschonen, wird unsere Lebensweise, Gesellschaft und Staatsform in den nächsten Jahren noch viele Erschütterungen erleben.



 

Die Aufgabe von Kunst ist es, auf diese Dinge hinzuweisen. Sie kann die Aufmerksamkeit auf Geschichten lenken, aus denen wir uns für die Zukunft und den Umgang mit Einschränkungen wappnen können. Während der Pandemie wurde Kunst als fehlender „Ort“ der Zerstreuung und Unterhaltung, als ein Ausbrechen aus dem Alltag - sei es durch Museumsbesuche oder Konzerte mit Bier und Wein - wahrgenommen. Gelobt und beklatscht wurden Musiker:innen, die im Netz ihre Kunst als eine anspruchsvollere Alternative zu Netflix & Co präsentierten. Daher erscheint es wichtiger denn je, den Jazz wieder in an die Stelle der Gesellschaft zurückzubringen, aus der heraus er einst entstand: Als Klagelied gegen Unterdrückung und soziale Ungerechtigkeiten, als Requiem an die entrissene Heimat, die verlorene Familie und die eigene Kultur. Als gelungener und Musik gewordener „Clash of Cultures“. Und wie die Pandemie uns lehrte, müssen diese Themen global gesehen werden.

 

Dieses Klagelied immer wieder neu und gleichzeitig positiv zu intonieren haben sich die beiden Musiker Patrick Bebelaar und Christoph Beck in ihrem „Ensemble Fragile“ zu Aufgabe gemacht.

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Die Orte

Keplerin Stature (Leonberg)

 

Zwischen dem späten 15. und 18. Jahrhundert wurden in Europa ca. 60.000 Menschen als Hexen hingerichtet.
Und auch heute, in unserer aufgeklärten Welt, hat die Verfolgung vermeintlicher Hexen nicht aufgehört. Noch immer werden Menschen isoliert und gefoltert, werden Menschen unter Drogen und Alkohol gesetzt um ein Geständnis zu erpressen. Noch immer werden Menschen durch Lynchmobs in über 40 Ländern der Welt verbrannt oder zu Tode geprügelt. In Ländern wie Gambia oder Togo werden sogar staatliche Hexenjagden durchgeführt, um Menschen für Krankheit und Tod verantwortlich zu machen. Allein in In Tansania wurden zwischen 1960 und 2000 ca. 40.ooo Menschen als Hexen ermordet.
Und im humanistischen Europa? In Italien ersuchen schätzungsweise 500.000 Menschen jährlich die Hilfe eines Exorzisten. Auch in Irland gibt es einen dramatischen Anstieg ‚dämonischer Aktivitäten‘, bei denen ein Exorzist zu Hilfe gerufen wird. An der Aktualität des Themas hat sich nach wie vor nichts geändert.

 

Im Jahr 1615 wurde Katharina Kepler als Hexe verdächtigt und später angeklagt. Die Beschuldigungen und die Anklage gegen sie zogen sich bis ins Jahr 1620, in dem sie schließlich verhaftet wurde. Einer der bekanntesten Württembergischen Hexenprozesse folgte, bei dem ihr nicht zuletzt die Bemühungen ihres Sohnes, Johannes Kepler, zu einem Freispruch verhalfen. Auch ihre Standhaftigkeit, sich trotz Androhung von Folter nicht der Hexerei schuldig zu bekennen, waren sicher ausschlaggebend für die Freilassung. Gezeichnet von den Strapazen des Prozesses und der langen Haft verstarb Katharina Kepler am 13. April 1622.

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Klarissenkloster (Pfullingen)

Das Klarissenkloster der Heiligen Cäcilia in Pfullingen steht als Mahnmal gegen Unterdrückung und Vertreibung. Trotz des Schweigegelübdes behaupteten sich die Ordensschwestern gegen die Anfeindungen des Dorfes und die Wirren des 30jährigen Krieges.

Ähnlich stark zeigen sich drei Jahrhunderte später auch die Pfullinger Weiber, die in den letzten Kriegstagen nicht bereit waren, ihr Dorf dem nationalsozialistischen Aufbäumen in einem längst verlorenen Krieg zu opfern. Die Weiber vertrieben den SS-Volkssturmführer Schurr und Sofie Schlegel ging, in weiß gekleidet, den Franzosen entgegen: Die Pfullinger Weiber beschlossen zu ‚kapitulieren‘, um das Dorf zu retten.

Brigitte Neske schrieb hier später Gedichte und arbeitete mit ihrem Mann in den Nachkriegstagen im eigenen Verlag. Sie nutzte das Sprechgitter des einstigen Klosters als Symbol gegen die Sprachlosigkeit und das Nicht-Miteinander-Reden-Können.

 

In Tagen, an denen wir mit einem längst als überwunden geglaubten Imperialismus konfrontiert werden und uns wieder den unbeantwortbaren Fragen nach Frieden, Appeasement und Widerstand ausgesetzt sehen, können diese Frauen Wegweiser und Hoffnung sein. Gegen Krieg, gegen Vertreibung und gegen die Ohnmacht.

Das Kloster zur heiligen Cäcilia in Pfullingen war ein spätmittelalterliches Klarissenkloster. Es erhielt 1252 die Ordensregel von Papst Innozenz IV. und bestand bis etwa 1590, als die letzte noch lebende Nonne zum Protestantismus konvertierte.

 

Heute sind von der Klosteranlage nur noch wenige Gebäude erhalten, darunter die Klosterkirche und das einzige noch erhaltene mittelalterliche Sprechgitter Europas. Seit 1981 dient die Klosterkirche als Konzert- und Ausstellungsraum.

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Alte Synagoge (Hechingen)

Arabische Klänge, die mit den musikalischen Anspielungen an die jüdische Kultur verschmelzen: so wie unser aller Leben zwischen vielen Kulturen friedlich verschmilzt ohne die eigene Identität zu verlieren.

In Hechingen war im Jahr 1842 ein Viertel der Einwohner:innen jüdisch. Die Synagoge war der Mittelpunkt der Gemeinde.

 

Im November 1938 demolierte die SA die Inneneinrichtung der Synagoge an der Stadtmauer. Abgebrannt wurde sie damals nur deswegen nicht, weil ein Übergreifen der Flammen auf eng angebaute benachbarte Häuser befürchtet wurde. Gemeindemitglieder:innen und andere als jüdisch eingestufte Hechinger:innen wurden verfolgt und viele in der Shoa ermordet.

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Robert Schuman Haus (Scy-Chazelles)

Nach den Kriegen Anfang des letzten Jahrhunderts musste Europa einen Weg des Vertrauens und der Vergebung finden, um gemeinsam etwas Neues zu schaffen, was solchen Gräuel nicht ein weiters Mal ermöglicht. So auch Jahre später in Südafrika nach der Apartheid. Mit all seinen unterschiedlichen Stämmen und Sprachen, Religionen, Kulturen und Hautfarben, Täter:innen, Mitläufer:innen und Opfern musste etwas Neues, Gemeinsames gefunden werden: The Rainbow Nation.


Um auf weltweites Ringen nach Formen des friedlichen und respektvollen Miteinanders aufmerksam zu machen, dient hier, an einer der geistigen Wiegen der Europäischen Nation der südafrikanische Song „The Lion sleeps tonight“ als Grundlage zur Improvisation.

In Scy-Chazelles, angrenzend an die Stadt Metz, hat Robert Schuman, damaliger Außenminister während eines Wochenendes im April 1950 die Kühnheit besessen, einen „gewagten Plan“ zu entwerfen, der den Lauf der Geschichte ändern sollte. In Zusammenarbeit mit anderen europäischen Staatsmännern hat dieser große Visionär die Bedingungen für den dauerhaften Frieden in Europa errichtet.

Schuman war französischer Ministerpräsident und bereitete als Außenminister des Landes den Weg zur Schaffung der Montanunion vor („Schuman-Plan“). Später war er Präsident des Europäischen Parlaments. Zusammen mit Jean Monnet gilt er als Gründervater der Europäischen Union.

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Gedenkstein (Trier)

Die vermeintliche Sicherheit nach Kriegen läßt allzu schnell vergessen, wie vielen Gefahren, Kummer und Nöten die betroffenen Bevölkerungen noch immer ausgesetzt sind. Landminen, Blindgängern oder verseuchte Böden bürgen alltägliche Gefahren für das Leben. Weltweit geht man allein von mehr als 7.000km² kontaminierter Fläche durch Landminen und Sprengfallen aus.

Am 22.7.1946 hatten drei 15 und 16 Jahre Jugendliche, deren Eltern im nahen Priesterseminar (heute Robert-Schuman-Haus) in Offizierswohnungen einquartiert waren, beim Spielen im Wald einen für sie rätselhaften 75 cm langen, kastenförmigen Gegenstand gefunden. Wie sich später herausstellte - eine Panzermine.

Beim Versuch, diesen Kasten zu öffnen, detonierte die gewaltige Sprengladung und zerfetzte die jungen Franzosen.

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Jüdischer Friedhof (Wankheim)

So wie die Jud:innen auf der Flucht vor Sklaverei und später vor der Zerschlagung ihrer Kultur waren, Zuflucht in anderen, neuen Heimaten suchten, so erging es auch den versklavten und verschleppten Afrikaner:innen und Südamerikaner:innen in Nordamerika. Migration, ob freiwillig, unfreiwillig oder notgedrungen, ist in der Geschichte der Menschheit immer Thema gewesen und meist mit großem Leid und Unrecht verbunden. Nie war die Zahl der Menschen, die auf der Flucht sind, größer als heute.


„The Wayfairing Stranger“ geht vermutlich auf einen Text von Isaac Niswander „Ich bin ein Gast auf Erden“ zurück und verbindet so in unserem Video das Schicksal der unterschiedlichen Kulturen auf besondere Weise.

1774 pachteten vier bis fünf jüdische Familien aus Wankheim ein Grundstück, um hier einen Friedhof anlegen zu können. Seit 1843 bemühte sich die israelitische Gemeinde Wankheim um den Kauf des Friedhofsgeländes. Seit 1848 war der Friedhof im Besitz der Gemeinde.


Im Oktober 1939 wurde der Friedhof schwer geschändet: 65 Grabsteine wurden umgestürzt. Weitere Schändungen des Friedhofes waren im November 1950,  Mai 1986 und Dezember 1989. 

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Die Musiker

Die Videokünstlerin

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Kristina Pfeffer

Kristina Pfeffer studierte Wirtschaftsrecht und Orgel in Estland, sowie Kirchenmusik in Deutschland und ist neben ihrer umfassenden Tätigkeit als Kirchenmusikerin und konzertierende Organistin freischaffend als Videokünstlerin tätig.

Presse

Am erschütterndsten ist jedoch die Szene im Wald bei Trier, die zu dem Gedenkstein für die von der Panzergranate zerrissenen Jugendlichen führt. Bilder von nasskalter Natur, vom Knirschen der Elektronikklänge unterwandert, von der Klage des Saxofons durchfurcht.

Beck und Bebelaar lassen Klänge durch den Raum wehen, die mal arabisch, mal jüdisch klingen. Zwei verfeindete Kulturen werden in der Musik eins. Dazu gleitet die Kamera Kristina Pfeffers über die orientalisierenden Ornamente des Baus. Ein sanfter Aufruf zur Versöhnung.

Armin Knauer (Reutlinger Generalanzeiger), 10.01.2022

In Wankheim fährt Kristina Pfeffers Videokamera zu Hundegebell zuerst einmal übers Laub und nimmt Rauschen und Naturgeräusche auf, bis Christoph Becks Saxophon-Arpeggien das Klagelied einleiten und mit einer Version des Sklavenlied „The Wayfaring Stranger“ eine weitere, andere Fluchtebene an den Friedhofszaun bringt.

Wilhelm Triebold (Schwäbisches Tagblatt), 03.01.2022

Kontakt

Bitte kontaktieren Sie Patrick Bebelaar oder Christoph Beck direkt über die jeweilige Website:

www.bebelaar.de

www.christoph-beck.de

post@ensemble-fragile.de

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Gefördert im Impulsprogramm „Kunst trotz Abstand“ des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg.

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